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Probenbesuche

Ein Thema, mit dem ich gleich am Anfang als neuer Leiter meiner Blasmusik konfrontiert wurde, war das Thema Probenbesuche. Ich wurde gefragt, ob sich diejenigen, die nicht kommen können (oder wollen), abmelden sollen. Ich verneinte das. 

Ehrlich gesagt spielt es für mich keine Rolle, wie viele Musikant*innen zu mir in die Probe kommen. Es spielt auch keine Rolle, wie viele Menschen im Konzert sitzen. Wenn ich etwas gebe, gebe ich es denjenigen, die da sind, eben weil sie da sind. Natürlich ist es schön und wichtig, dass sich Viele beteiligen, wenn man einen Auftritt vorbereitet. Letztendlich ist es aber immer die Entscheidung der Einzelnen. 

Einer meiner Taekwondo-Lehrer macht in dieser Hinsicht eine klare Ansage: „Es ist meine Aufgabe, dir alles beizubringen, es ist meine Aufgabe, dich so auf die Prüfung vorzubereiten, dass du bestehst. Deine Aufgabe ist nur, ins Training zu kommen – und das ist die schwerste von allen.“ Mir gefällt diese Haltung, weil sie die Verantwortung zum Besuch des Trainings (oder der Probe) dort lässt, wo sie hingehört, nämlich beim Schüler (oder den Musikant*innen). Gleichzeitig sehe ich es als Aufgabe des Dirigenten, die Proben so attraktiv zu gestalten, dass niemand fehlen will. 

So. Diese Kolumne soll sich ja eigentlich mit den Philharmonikern beschäftigen, nicht mit den Blaskapellen. Wo liegt nun die Parallele? Wir Profimusiker*innen haben ja keine Wahl, bei uns ist der Probenbesuch Arbeitszeit. Die Parallele liegt in der Einstellung zur Probe. Bei uns Profis gibt es eine weitverbreitete Haltung, grundsätzlich alle Dirigenten für nicht gut genug zu halten. In den Pausen lässt man sich dann ordentlich darüber aus, wie mittelmäßig das alles sei, was natürlich impliziert, dass man künstlerisch weit über dem Dirigenten stehe. Als junger Musiker habe ich mich an solchen Gesprächen (Diskussionen sind es ja keine) gerne beteiligt, weil es sehr bequem ist, die Verantwortung abzuwälzen. Im Laufe meines Berufslebens habe ich aber gelernt, dass es mir viel besser geht, wenn ich mit Freude und Gelassenheit in der Probe sitze, auch wenn ich von einem Dirigenten mal nicht so viel Input bekomme, wie ich es mir wünsche. Einen bestimmten Typen Dirigenten kann ich aber nach wie vor nicht leiden, Gott sei Dank ist das aber eine aussterbende Art. Es sind diejenigen, die sich über alles erhaben fühlen und uns Musiker nicht auf Augenhöhe behandeln. 

Als Dirigent stehe ich nicht über den Musikant*innen. Ich bin nicht ihr Erzieher. Daher müssen sie sich auch nicht rechtfertigen, wenn sie nicht zur Probe kommen. Gleichzeitig erwarte ich aber, dass sie das, was ich gebe, wertschätzen. Und die größte Wertschätzung für einen Dirigenten einer Blasmusik ist nun mal der Probenbesuch.

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