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Systemrelevanz

Vor einigen Tagen habe ich mit einem guten Freund aus Basel eine Videokonferenz abgehalten, was auf gut bayrisch heißt, dass wir zwei Stunden intensiv geratscht haben. Gespräche mit Michael sind für mich immer sehr inspirierend. Bevor der Begriff in einen anderen Kontext gestellt wurde, hätte ich ihn als Querdenker bezeichnet. Im Gegensatz zu denjenigen, die sich im Moment so nennen, ist seine Sichtweise aber weder ignorant, noch wissenschaftsfeindlich, und auch nicht einseitig. Ich schätze Michaels klaren Blick auf den Klassikbetrieb, von dem er ein Teil und gleichzeitig wieder keiner ist. Michael ist sehr vielfältig aktiv, beispielsweise als Interpret zeitgenössischer Musik, als Ensemblemitglied des progressiven Alphornquartetts „Hornroh“, oder als Lehrer für Blechbläser im Bereich Methodik und Didaktik an der Basler Musikhochschule. 

Bei unserem Ratsch kamen wir natürlich nicht am Thema Corona vorbei. Besonders der Umgang der Kulturschaffenden mit den Auswirkungen der Pandemie hat uns beschäftigt. Ein Begriff der in diesem Zusammenhang von Künstlern gerne beansprucht wird, ist Systemrelevanz. Ich halte das für bedenklich, denn Kultur ebenbürtig mit medizinischer Versorgung oder der Bereitstellung von Nahrungsmitteln zu stellen, scheint mir eher kontraproduktiv. Das zu vergleichen, geht am eigentlichen Ziel vorbei. Am Beispiel Musik zeigt sich, dass das Leben mit weniger oder keinen Konzerten möglich ist, ohne dass das System zusammenbricht. Relevanz ist daher nicht wirklich der passende Begriff. Michael formuliert es meiner Meinung nach viel besser:  Es ist schade, wenn Orchester und Ensembles keine Konzerte spielen und natürlich vermissen wir es. Der Reiz von Live-Konzerte besteht darin, dass zwischen Musikern und Publikum eine besondere Form der Interaktion und Kommunikation stattfindet, die nicht so ohne weiteres ersetzbar ist. Daher wollen und können wir nicht dauerhaft darauf verzichten. Aus diesem Grund, so meint Michael, werden die Menschen immer häufiger Ersatz suchen, je länger der derzeitige Zustand andauert. Zum Beispiel, indem sie wieder mehr selbst singen und musizieren, daheim in den eigenen vier Wänden, alleine oder mit der Familie. Diesen Ansatz möchte ich aufgreifen und gleichzeitig an Sie, liebe Leser, appellieren: Beschäftigen Sie sich mit Ihrem Instrument! Gerade weil keine Proben und Konzerte stattfinden, können Sie sehr spielerisch und ohne jegliche Verpflichtung herangehen. Suchen Sie sich kleine oder größere Herausforderungen, die sie in regelmäßigem Training zu bewältigen versuchen. Auf Anregung des MON haben wir Philharmoniker einige Übungen zusammengestellt, die Sie als Impulse nutzen können, um sich fit zu halten. Probieren Sie’s aus. Ich bin sicher, dass es Ihnen Freude machen wird. 

 

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