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Durchhalten

Hätte man mich vor 30 Jahren gefragt, was den Musikerberuf so besonders und anspruchsvoll macht, hätte ich vermutlich geantwortet, dass es ziemlich anstrengend ist, in einem Konzert zwei Stunden voll konzentriert auf der Bühne zu sitzen und größtmögliche Leistung zu bringen. 

15 Jahre später, als meine Kinder klein waren, hätte ich geantwortet, dass es trotz der Aufgaben in der Familie - oft mit wenig Ruhe und noch weniger Schlaf - nicht immer einfach ist, den Ansprüchen im Orchester gerecht zu werden. 

Heute, also wieder 15 Jahre später, würde ich sagen, dass die große Kunst darin liegt, ein ganzes Musikerleben durchzuhalten. Vielleicht ist der Begriff durchhalten nicht ganz treffend, weil es klingt, als ob ich nur Musiker bin, weil ich muss. Nein, so ist es definitiv nicht. Ich spiele nach wie vor sehr gerne im Orchester und bin auch froh, dass ich noch einige Jahre vor mir habe. Mit Durchhalten meine ich, dass man trotz aller Unwägbarkeiten, die das Leben so mit sich bringt, die Lust nicht verliert und sich selbst gegenüber anspruchsvoll bleibt. Das heißt übrigens nicht, dass ich unerbittlich bin und mir nichts verzeihe. Ganz im Gegenteil. Ich erlaube mir vielleicht die eine oder andere Schwäche, die ich mir früher übelgenommen hätte. Im Gegenzug nutze ich aber meine Erfahrung und kann in vielen Bereichen gelassener an meine Aufgabe im Orchester herangehen, eben weil ich die meisten der Stücke schon x-mal gespielt habe und sie aus dem FF kenne. Ich muss mir keine Gedanken mehr machen, ob und wie ich durch vermeintlich schwere Stücke durchkomme. Ich weiß, wie ich meine Konzentration und physische Kraft einteile, ich weiß, wie ich mich am besten und effektivsten vorbereite. Ich weiß aber auch, dass ich eine Verantwortung trage, mit dem stetig steigenden Niveau des Orchesters mitzuhalten. Das wiederum empfinde ich nicht als Bürde, sondern als Geschenk, weil es mich immer wieder herausfordert, nicht bequem und träge zu werden. 

Wenn die nächsten 15 Jahren vorbei sind, bin ich 67 und werde das Orchester vermutlich verlassen haben. Sollte ich dann eine Kolumne schreiben, und sollte sie zum Thema haben, wie man ein Leben im Orchester meistert, kann ich sie hoffentlich so betiteln: 

Einfach genießen!

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