Ich kann nicht genau beurteilen, ob unser Orchester eine Ausnahme ist, aber im Zuge unserer Reisetätigkeit sind wir Philharmoniker oft vor besondere
Herausforderungen gestellt.
Zweimal hat uns innerhalb recht kurzer Zeit die Deutsche Bahn im Stich gelassen, so dass wir trotz früher Abreise vom einen Konzertort zum nächsten, gerade noch rechtzeitig zum Konzertbeginn
angekommen sind. Nun hat uns im Dezember das Münchner Schneechaos bei der Rückreise von Seoul/Korea auf eine recht harte Geduldsprobe gestellt. Wir sind ja nicht die einzigen, die so etwas
erleben, auch liegt es mir fern, uns irgendwie als Opfer darstellen zu wollen. Es war einfach, wie es war.
Interessant finde ich jedoch, wie sich in den letzten Jahren der Umgang des Orchesters mit solchen Situationen verändert hat. Wenn in meinen frühen
Jahren im Orchester etwas schiefgelaufen ist, gab es eine Reihe von Kolleg*innen, die sich furchtbar aufregen mussten, die sich lauthals beschwerten, und die meinten, erklären zu müssen, dass sie
alles viel besser organisiert hätten. Andere sind diesen Nörglern beigesprungen und so war die Stimmung im gesamten Orchester sehr schnell im Keller.
Ich genieße es sehr, dass sich hier etwas verändert hat. Natürlich sind solche Situationen unangenehm, anstrengend und belastend. Andererseits werden sie ja nicht besser, wenn man sich aufregt.
Eine viel bessere Methode ist doch, mit Gelassenheit und Humor heranzugehen. Wenn eine Gemeinschaft in solchen Momenten zusammenhält, wenn sie sich gegenseitig unterstützt, wenn nicht alles
bierernst gesehen wird, dann geht man in der Regel gestärkt daraus hervor, mit neuem Teamgeist. Man zieht das Gute aus der Situation, und gibt dem, was eh nicht gut läuft, so gut wie keinen Raum.
Ist das nicht eine ausgesprochen intelligente Herangehensweise? Viel besser als die von früher?
Bestimmt ist es kein Fehler, diese Haltung auf die Gesamtgesellschaft zu übertragen. Besserwisserparteien, die nur nörgeln, aber keine wirklich tragfähigen Konzepte haben, die keinen Humor kennen, außer vielleicht Schadenfreude oder Polemik, sind sicher keine Alternative. Dagegen sein, sich über andere zu erheben, ist einfach. Für die Gemeinschaft bringt es rein gar nichts. In schwierigen Situationen zusammenzuhalten, ist anspruchsvoller, aber auch viel befriedigender. In meinem Orchester gelingt das derzeit sehr gut. Obwohl, oder gerade weil dort 25 verschiedene Nationen gemeinsam an einem Strang ziehen. In dieser Pluralität liegt enormes Potential. Menschlich, aber auch musikalisch.
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