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Gscheidhaferl

Die „Bavarian Immigrants“, die Band meines Sängerbruders Heribert, hat ein wunderbares Lied, das mir neulich in einer Philharmoniker-Probe in den Sinn kam. Es trägt den Titel „Das Gescheidhaferl“. Sie kennen diesen Typus Mensch, der sich immer in den Vordergrund spielen muss, um möglichst kompetent zu erscheinen und zu zeigen, dass er wirklich etwas versteht – in unserem Fall von Musik. 

Mittlerweile gibt es (zumindest in meine Orchester) nicht mehr viele dieser Exemplare, aber so ein/zwei sind übriggeblieben. Ich nehme an, dass auch in der einen oder anderen Ihrer Blaskapellen noch welche zu finden sind. Um nicht allzu konkret zu werden, bei uns ist es vor allem ein Kollege, der ein ziemlich großes Streichinstrument spielt. Dass er mit seinem Instrument nur selten großartig in Erscheinung tritt – was nicht heißt, dass seine Gruppe nicht von größter Wichtigkeit ist - mag erklären, warum er glaubt, oft ganz wichtige Fragen in Richtung Dirigentenpult stellen zu müssen. Also, genau genommen sind das keine Fragen, sondern Belehrungen, deshalb sind sie, wie man auf gut bayerisch sagt, überflüssig wie ein Kropf. Zwei Beispiele: „Wollen Sie wirklich, dass wir mit den Triolen in Takt 97 langsamer werden?“ oder „Bei uns steht zwei vor F ein Pianissimo. Sollen wir das nicht spielen?“. Ich glaube nicht, dass ich übersetzen muss, was mein Kollege eigentlich damit sagen will, aber der Begriff „Gscheidhaferl“ beschreibt sein Getue eben recht gut. Prinzipiell bin ich ja (mittlerweile) eher ein gelassener Mensch, aber um die viele Zeit, die mit seinen Fragen verschwendet wird, tut’s mir dann doch leid. Und sollten Sie, lieber Leser, sich in einer ihrer Proben zu ähnlichen Fragen bemüßigt fühlen, behalten Sie sie bitte für sich! Spielen Sie einfach selbst leiser, wenn’s Sie’s leiser haben wollen. Und sollte der Rest langsamer werden, werden Sie mit den anderen langsamer, allein haben Sie eh keine Chance (Ich hab’s mehrfach ausprobiert!).

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass wegen solcher Fragen noch nie etwas besser geworden ist. Vielleicht wissen Sie tatsächlich manches besser als ihre Kollegen, besonders wahrscheinlich ist das aber nicht. Und wenn es tatsächlich so ist, also wenn sie WIRKLICH sicher sind, versuchen Sie zu helfen, anstatt zu belehren. Sollte es ihnen wichtig sein, dass etwas anders gestaltet wird, sprechen Sie in einer Probenpause mit der Dirigentin oder dem Dirigenten darüber, oder mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Gespräche auf Augenhöhe haben bestimmt mehr Wirkung, als sein Wissen als „Gscheidhaferl“ kund zu tun.  

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