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Gefühltes Wissen

Vor kurzem habe ich einen neuen Begriff kennengelernt, den ich gerne in dieser Kolumne aufgreifen will: Gefühltes Wissen. 

Eine Folge der sehr empfehlenswerten Podcast-Reihe ‚Gehirn gehört‘ des Hirnforschers Dr. Volker Busch trägt diesen Namen und erklärt auf anschauliche und sehr witzige Weise, wie wir Menschen uns allzu schnell und viel zu häufig für Experten in Bereichen halten, für die wir nur ein paar selektive Informationen gesammelt haben. Mit diesem ‚Gefühlten Wissen‘ erlauben wir uns, uns über wirkliche Experten zu erheben, die tausende von Stunden in das Sammeln von Daten und Erfahrungen verwendet, die gewonnenen Erkenntnisse immer wieder hinterfragt, und sich mit anderen ausgetauscht haben. Dr. Volker Busch bewertet das nicht großartig, sondern stellt einfach nur dar, was im Hirn so abläuft und wie schnell man in die Falle tappt, sich für wissender zu halten, als man ist. 

Die oft recht eigentümlichen Meinungen zu einem ganz bestimmten Virus zeigen das besonders deutlich. Übertragbar ist dieses ‚Gefühlte Wissen‘ aber auch auf alle anderen Lebensbereiche. Musik zum Beispiel. 

Nehmen wir den Kritiker der FAZ, der meinte, dass der Akustik unserer neuen Isarphilharmonie ein paar Klangsegel gut täten. Interessant! Da entwickelt Nagata Acoustics, eines der besten Unternehmen der Welt in diesem Bereich, unseren Saal. Ein Team aus wirklichen Fachleuten setzt sich hin, macht Berechnungen, baut Modelle, stellt Versuche an, und so weiter und so weiter. Monatelange Arbeit und jahrelange Vorarbeit stecken in dieser einzigartigen, genau auf diesen Raum ausgelegten Akustik. Und dann kommt ein Kritiker und fühlt, dass er es besser weiß?

 

Doch auch in den kleinen musikalischen Angelegenheiten sind Formen eines ‚Gefühlten Wissens‘ gar nicht so selten. Da muss ich nur dran denken, was bei Bläsern so alles zu den Themen Stütze oder Ansatz verbreitet wird. 

Jeder, der sich mit einer Thematik intensiv beschäftigt, wird früher oder später mit Menschen konfrontiert werden, die sich recht selbstbewusst zu Wort melden, obwohl ihr Wissen offensichtlich nur sehr begrenzt ist. Aus diesem Grund ist das Hinterfragen des eigenen ‚Gefühlten Wissens‘ besonders spannend. Gibt es überhaupt einen Bereich, in dem ich wirklich Experte bin und wenn ja, welcher könnte das sein? 

Betrachte ich mich selbst, nehme ich durchaus für mich in Anspruch, an vielem interessiert zu sein. Auch bin ich der Ansicht, in vielen Bereichen ein fundiertes Grundwissen zu haben. Denke ich aber darüber nach, wo ich wirklich Experte bin, wird’s dünn. In dem Podcast von Dr. Volker Busch wird ein Neurologenkollege zitiert, der meinte, dass man sich mindestens 10 000 Stunden intensiv mit einem Themenbereich beschäftigt haben muss, um Experte zu sein. Sie dürfen jetzt gern darüber nachdenken, wo das für mich gelten könnte oder in welchen Bereichen für Sie selbst ... 

 

https://drvolkerbusch.de/besserwisser-podcast/

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